SWR - Report Mainz vom 15.11.2004
Horrorschulden nach Wohnungskauf - Eine Bausparkasse in der
Kritik
Es
klingt nach Klischee aus den Zeiten des Klassenkampfes: Hier das
gnadenlose Geldinstitut, dort der hilfslose kleine Mann. Und dennoch: Es
scheint wohl traurige Wirklichkeit zu sein. Die Bausparkasse Badenia,
immerhin die viertgrößte in Deutschland, hat, so der Verdacht, mehr als
tausend Kleinanleger in den Ruin getrieben.
REPORT MAINZ hat bereits darüber
berichtet. Jetzt ist uns dieses interne Badenia-Gutachten zugespielt
worden. Nach Expertenmeinung wirft es ein düsteres Licht auf die
Bausparkasse. War sie also doch der eigentliche Drahtzieher hinter den
dubiosen Immobiliengeschäften, die so viele finanziell ruiniert haben?
Ulrich Neumann mit den Details.
Bericht:
Karlsruhe, Ende Oktober:
Demonstration von aufgebrachten Kleinanlegern vor der Badenia,
Deutschlands viertgrößter Bausparkasse. Ein Vater klagt den Bankvorstand
an.
O-Ton, Vater von Anja
Schüller:
»Schauen Sie mir in die Augen!
Sie sind dran schuld, dass meine Tochter heute nicht mehr lebt. Die
Badenia, der Vorstand ist mit seinen Machenschaften dran schuld und hat
sie in den Tod getrieben!«
Warum ist dieser Vater und seine
Familie so empört? Vor sechs Wochen haben sie ihre Tochter zu Grabe
getragen. Die 28-jährige Krankenschwester Anja Schüller hat sich das Leben
genommen. Sie war hoffnungslos verschuldet bei der Badenia. Zum Leben
blieb ihr fast nichts. Aus Scham bat sie niemanden um Hilfe, nicht mal
ihre Eltern.
Mit gerade mal 23 Jahren kaufte die
junge Frau 1999 eine Eigentumswohnung in Chemnitz. Rund 50 Quadratmeter
für 140.000 DM. Gepriesen als lebenslange Kapitalanlage, tatsächlich aber
eine minderwertige Zweizimmerwohnung. Finanziert von der Badenia.
O-Ton, Vater von Anja
Schüller:
»Ich mache den Vorwurf an
denjenigen, ich sags mal so, der einer kleinen Krankenschwester, die
damals vielleicht 2.500 DM brutto hatte, so einen Vertrag aufs Auge drückt
und meine Tochter in so einen Vertrag knebelt, der von vornherein gewusst
hat, dass das Mädchen mit ihrem Lohn, die kein Vermögen hat, so etwas gar
nicht bedienen kann.«
Rund
25 Jahre hätte Anja noch zahlen müssen für eine ziemlich wertlose
Immobilie. Trotz Arbeit ein Leben an der Armutsgrenze - jahrzehntelang.
Weil sie die Raten nicht mehr aufbringen konnte, leitete die Badenia
wenige Tage vor ihrem Tod die Zwangsvollstreckung ein. Sie wollte die
vollen 70.000 Euro zurück, veranlasste die Lohnpfändung der
Krankenschwester.
O-Ton, Mutter von Anja
Schüller:
»Ich fühle in mir selbst eine
ohnmächtige Wut, Zorn und Fassungslosigkeit, wie man eben mit jungen
Menschen, die wirklich sich aufopfern und in ihrem Beruf alles geben, dass
man die so über den Tisch zieht. Und das Leben einfach so mit einem
Federstrich auslöschen, also ich begreife es einfach nicht. Ich begreife
so was nicht.«
Heute in Karlsruhe. Erstmals stellt
sich der Badenia-Chef unseren Fragen. Während unserer dreijährigen
Recherchen hat er bislang jedes Interview abgelehnt. Über Anja Schüller
sagt er:
O-Ton, Dietrich Schroeder,
Vorstandsvorsitzender Badenia Bausparkasse:
»Die Nähe der Badenia zu dem
Selbstmord ist abstrus.«
Dagegen bewertet die Kriminalpolizei
Würzburg in einem Vermerk den Tod ganz anders. Grund für den Suizid dürfte
der Eingang eines Pfändungsbeschlusses der Badenia über 70.000 Euro sein.
Opferanwälte sehen das genauso.
O-Ton, Gerhart Baum,
Opferanwalt:
»Nach allen Umständen, die wir
kennen, ist sie ein Opfer des Verhaltens der Badenia.«
Solche maroden Wohnungen des
gewerkschaftseigenen Konzerns Neue Heimat standen in den 90er Jahren zu
Tausenden zum Verkauf. Vor allem Klein- und Mittelverdienern wurden sie
völlig überteuert angedreht, angeblich um Steuern zu sparen und als
Altersvorsorge. Bei den Geschäften mit den Schrottimmobilien fast immer
mit dabei die Badenia-Bausparkasse.
Die Situation heute: Tausende
Kleinanleger stecken in der Schuldenfalle. Warum? Hoher Leerstand,
ausbleibende Mieten, ausufernde Instandhaltungskosten und dazu noch ein
absolut ungünstiges Finanzierungsmodell der Badenia sind dafür
verantwortlich.
O-Ton, Gerhart Baum,
Opferanwalt:
»Das ist der größte und , wie
ich meine, am besten dokumentierte Immobilienskandal in Deutschland.«
Er ist der Drahtzieher dieser
Geschäftemacherei gewesen Elmar Agostini, als Finanzvorstand der Badenia
bis 2001 zuständig für die Schrottimmobilien. Doch damit nicht genug. Bei
der Verkaufsfirma, so etwas wie einer Schwester der Badenia, saß er im
Aufsichtsrat, bei der Dortmunder Vertriebsfirma Heinen und Biege im
Beirat. In seiner Person bündeln sich also alle Aktivitäten Verkauf,
Vertrieb und Finanzierung der Schrottimmobilien. Gegen ihn ermittelt die
Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen Betruges zum Nachteil der
Kleinanleger.
Dietrich Schroeder, seit 2002
Vorstandsvorsitzender der Bausparkasse, hat den Schlamassel geerbt. Doch
auch er weist jeglichen Vorwurf gegen die Badenia bei den Geschäften mit
den Schrottimmobilien zurück. Seine Version:
O-Ton, Dietrich Schroeder,
Vorstandsvorsitzender Badenia Bausparkasse:
»Wir haben die Immobilien, die
heute manchen Leuten Not machen, finanziert. Wir haben sie nicht
vermittelt.«
War, wie eben und oft behauptet, die
Badenia wirklich nur Kreditgeberin? Kann man ihr deshalb nicht anlasten,
dass heute Tausende Kleinanleger in der Schuldenfalle sitzen? Unsere
Recherchen zeigen, dass genau diese Version nicht haltbar ist.
Der Beleg: dieses Gutachten
renommierter Wirtschaftsprüfer. Die Badenia hat es vor zwei Jahren selbst
in Auftrag gegeben, aber bislang unter Verschluss gehalten. Jetzt ist es
uns zugespielt worden.
Die Wirtschaftsprüfer stellen darin
fest, dass die Bausparkasse die Vertriebsfirma Heinen und Biege gesteuert
hat. Folglich war Heinen und Biege so etwas wie eine ausgelagerte
Abteilung der Bank, und die Badenia damit weit mehr als nur Kreditgeberin.
Seit 1995 wurde die Vertriebsfirma
Heinen und Biege durch Millionendarlehen der Badenia am Leben erhalten.
Die Folge:
Zitat:
»Die Rückführung der Darlehen
war vom Absatzerfolg von Heinen & Biege abhängig.«
Konsequenz? Ein hochrangiger
Wirtschaftsrechtler:
O-Ton, Prof. Peter Derleder,
Wirtschaftsrechtler:
»Die Badenia hatte einen
Wissensvorsprung hinsichtlich der besonderen Risiken ihres Geschäfts mit
den Kunden und hat dann durch Einflussnahme auf ihre Vertriebsfirma ihre
Rolle als Kreditgeberin deutlich überschritten.«
Die Gutachter stellen außerdem fest,
dass spätestens ab 1998 die Vertriebsfirma Heinen und Biege.
Zitat:
»... nur noch als Strohmann fungiert hat.«
Ein renommierter Strafrechtler:
O-Ton, Prof. Günter Kohlmann,
Strafrechtler:
»Hier liegt eindeutig ein in
Mittäterschaft begangener Betrug seitens der Vermittlerfirma und der
Badenia-Bausparkasse vor. Die beiden genannten haben arbeitsteilig die
Anleger getäuscht. Und dass die Vermittlerfirma und die Badenia gehandelt
haben in der Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern, steht für mich nach
dem, was ich gelesen und auch sonst zur Kenntnis genommen habe, außer
Frage.«
Von dieser Geschäftemacherei, so die
Gutachter weiter, sind betroffen 4.450 Kreditnehmer mit einem
Finanzierungsvolumen von 315 Millionen Euro. Was folgt daraus?
Für diese Geschäftemacherei muss
die Badenia möglicherweise haften. Ihre stereotype Behauptung, nur
Kreditgeberin gewesen zu sein, ist durch das eigene Gutachten widerlegt.
Deutschlands oberste Verbraucherschützerin:
O-Ton, Prof. Edda Müller,
Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband:
»Es ist unverständlich für mich,
dass ein Vorstand eines solchen Unternehmens sich nach wie vor in Kenntnis
solcher Gutachten, wie sie jetzt bekannt worden sind, dagegen sträubt,
Vergleiche abzuschließen, Rückabwicklung solcher Verträge vorzuschlagen,
um diesen Schaden, den man einmal angerichtet hat, jetzt endlich aus der
Welt zu schaffen.«
Mindestens vier Suizide von
ehemaligen Badenia-Opfern in nur wenigen Jahren sind bis heute bekannt
geworden. Trotz dieser menschlichen Katastrophen macht die Bank weiter wie
bisher - business as usual! Laufend in diesem Jahr werden Zwangsmaßnahmen
angedroht oder vollstreckt, sogar nach dem Tod von Anja Schüller.