tz vom 28.10.2004
So wurden wir über den Tisch gezogen
Der Bauspar-Skandal
Münchner Betroffene erzählen:
Sie wollten für ihr Alter vorsorgen und haben sich alles verbaut. Wie
OP-Schwester Anja S., die sich aus Verzweiflung das Leben nahm, gerieten
Norbert und Sabine K. aus Erdweg (bei Dachau) sowie Ilse K. aus München in die
Bausparfalle der Badenia. Der tz erzählten die Betroffenen, wie dubios ihre
Verträge zustande kamen und wie sie sich für weitgehend wertlose Immobilien
jetzt „dumm und dämlich“ zahlen müssen.
Familie K.: 750 € pro Monat für Schrott
Die Lust aufs Kämpfen hat Sabine K. längst verloren. Seit zwölf Jahren zahlen
die 36-Jährige und ihr Mann Norbert (36) für zwei Immobilien, die geschenkt
noch zu teuer wären – finanziert über das dubiose Modell der Badenia,
Deutschlands viertgrößter Bausparkasse.
Etwa 750 Euro müssen die Versicherungsangestellte in
Teilzeit und der LKW-Fahrer inzwischen jeden Monat berappen. Die erste, die in
die Bausparfalle tappte, war Sabine K.. 1992 bot der Lebensgefährte einer
Kollegin der gerade mal 24-Jährigen eine gut gelegene 35-qm-Eigentumswohung in
Celle (Niedersachsen) an. Er versprach „eine super Absicherung für die
Zukunft“, eine Finanzierung ganz ohne Eigenkapital und mit niedrigen
Monatsbelastungen.
Außerdem prophezeite er Sabine K., dass sich die
Immobilie über Steuerersparnis und Mieteinnahmen binnen sechs Jahren von
selbst zahlen würde. Überrumpelt von der Hartnäckigkeit und dem Drängen des
Mannes, dem sie vertraute, unterschrieb die junge Frau im Café zwischen zwei
Bissen Kuchen einen Finanzierungsplan über 105000 D-Mark. Die Wohnung hatte
sie selbst nie gesehen.
Sabine K.: „Fünf Jahre lief alles wie versprochen.
Dann kam der Schock.“ Denn plötzlich blieb die Miete aus der Celler Wohnung
aus und die Badenia forderte immer höhere Monatsbelastungen und
Sonderzahlungen. Als die 36-Jährige aus Geldnot ihre Eigentumswohnung über
einen Makler verkaufen lassen wollte, fiel sie fast aus allen Wolken: „Er
sagte mir empört, dass er sich mit diesem Angebot seinen Ruf verderben würde.
Die Wohnung läge in Celles schlimmster, assozialste Gegend. Das sei schon
immer so gewesen. Sie sei unverkäuflich.“
Ihren Mann Norbert, der ein Jahr nach seiner Frau
dank der Badenia Eigentümer eines 22- qm-Apartements wurde, traf es fast noch
schlimmer. Er kaufte, gedrängt vom selben, längst untergetauchten Bekannten,
ein Zimmer im „Berghotel Kandel“ im Schwarzwald (bei Freiburg im Breisgau).
Die Finanzierungssumme lag bei 106 000 DMark. Was
Norbert K. nicht gesagt wurde: Sein Zimmer lag im Untergeschoss und war damit
an Gäste nicht vermietbar und schließlich stand das Hotel auch noch ohne
Pächter da. Richtig heftig wurde es aber 2002 nach einem Feuer. Das Hotel
brannte zwar nicht ab, wurde von den Behörden aber wegen Brandschutzmängeln
geschlossen. Seitdem steht es leer und Norbert K. zahlt seinen Kredit und
einen Heizkostenanteil fürs Hotel, „damit es nicht völlig verfällt“.
Ein Ende dieses Zustands ist nicht in Sicht, denn für
die nötige Gebäudesanierung fehlt das Geld. Das Ehepaar: „Wir wollen nur noch
raus aus den Verträgen. Die Badenia kann das schon gezahlte Geld und die
Immobilien behalten. Wir würden sogar eine Ablöse zahlen.“
Falls die Kanzlei Reiter &
Collegen das nicht erreichen kann, muss Familie K. noch 13 weitere lange Jahre
für ihre beiden Schrott- Wohnungen bluten – und zwar jedes Jahr mehr und
mehr.
Ilse K.:
Warten auf den Kuckuck
Jeden Tag geht Ilse K. gespannt zum Briefkasten. Die
Münchnerin wartet auf Post von der Badenia: „Ich habe meine Zahlungen
eingestellt. Sie werden mir bald mit Gerichtsvollzieher und
Zwangsvollstreckung drohen.“ Doch selbst wenn die 44-Jährige die monatliche
Forderung von rund 300 Euro zahlen wollte, sie könnte es nicht: Aufgrund eines
Rückenleidens ist die ehemalige Personalsachbearbeiterin vor kurzem arbeitslos
geworden.
Sie kann nur noch ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Das 28-qm-Apartment in Chemnitz, das Ilse K. 1999 kaufte, sollte ihr in
München eine Wohnung für den Ruhestand finanzieren. Doch genau diesen Plan hat
das Objekt für immer zunichte gemacht. Als Ilse K. im Sommer prüfen ließ, ob
sie ihre Mietwohnung in Sendling kaufen könne, schlug der Finanzberater beim
Anblick der Badenia-Verträge die Hände über dem Kopf zusammen. „Sie kriegen
niemals eine Finanzierung. Denn damit zahlen sie sich bald dumm und dämlich“,
sagte er und verwies Ilse K. an die Verbraucheranwälte Reiter
& Collegen.
Die ostdeutsche Eigentumswohnung der Münchnerin ist
zwar nicht baufällig und auch vermietet. Aber von diesem Geld sieht Ilse K.
monatlich nur 80 Euro. 220 Euro muss sie für die Tilgung ihrer
Badenia-Bausparverträge dazuzahlen. Verkaufen darf sie die Wohnung wegen einer
Sperrfrist noch nicht. Wie nahezu alle Kunden des „Badenia“-Finanzierungsmodells
war Ilse K. einem gewissenlosen und inzwischen unauffindbaren Verkäufer
aufgesessen: „Ein langjähriger Nachbar. Ich vertraute ihm und er hat mich für
seine Provision überrumpelt!“ Bestärkt durch ihre Anwälte will Ilse K. nun
gegen die Badenia kämpfen. Andernfalls muss sie bis zu ihrem 71. Geburtstag
weiter zahlen – und zwar immer mehr und mehr.