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Süddeutsche Zeitung vom 18.10.2004
Badenia
Teure
Schrottimmobilie statt Traumwohnung
Die Kleinanleger hatten
höhere Kosten und niedrigere Einnahmen als von den Vermittlern der
Bausparkasse vorgerechnet. Jetzt zeigt sich die Badenia in Härtefällen
unnachgiebig.
Von Thomas Öchsner
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Finanziert mit der
Badenia: Schrottimmobilien
Foto: ddp |
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Tausende von
Kleinverdienern haben bei der Bausparkasse Badenia den Kauf von
überteuerten Eigentumswohnungen finanziert. Viele stehen jetzt vor dem
Ruin, einige nahmen sich sogar das Leben.
Dennoch zeigt sich die Bausparkasse, gegen deren früheren Finanzvorstand
wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt wird, in vielen Härtefällen
wenig kulant. Das werfen Rechtsanwälte von Geschädigten der Badenia vor.
Es war schon nach Mitternacht, als Ferdinande und Walter Schneemann
unterschrieben. Zwei Stunden hatten die Vermittler auf das Ehepaar aus
Uder in Thüringen eingeredet und immer wieder gesagt, dass sich die
beiden um nichts kümmern müssten.
Die Eigentumswohnung finanziere sich mit der Steuerersparnis und den
Mieteinnahmen quasi von selbst. Eigenkapital sei nicht nötig. Und nach
zehn Jahren ließe sich die Immobilie mit Gewinn verkaufen.
120.000 DM zahlten die Schneemanns damals für die Immobilie, ein 44
Quadratmeter großes Appartement in einem Wohnblock in Helmstedt. 180.000
DM sollte die Eigentumswohnung, die die Bausparkasse Badenia
finanzierte, nach zehn Jahren wert sein.
Appartment entpuppte sich als Schrottimmobilie
Aber schon bald begriffen
die Schneemanns, dass sie damals im März 1993 einen schweren Fehler
begangen hatten, der ihr Leben entscheidend verändern würde. Die
Schneemanns bekamen eine Schrottimmobilie angedreht.
Schon nach einem dreiviertel Jahr stellte sich heraus, dass alles, was
die Vermittler auf einem Schmierzettel vorgerechnet hatten, nichts wert
war. Die Raten waren höher, die Mieteinnahmen geringer als versprochen.
Die Wohnung war selbst deutlich unter dem Einkaufspreis unverkäuflich.
Die Schneemanns waren einem Vermittler der Firma Heinen & Biege (H& B)
aufgesessen, die Anfang der neunziger Jahre im Zusammenwirken mit der
Badenia an Klein- und Mittelverdiener systematisch überteuerte
Eigentumswohnungen verkaufte.
Die von dem Ehepaar eingeschaltete Immobilienmaklerin Sabine Pangritz
schätzt, dass die Wohnungen in dem Block schon beim Verkauf 30 Prozent
zu viel kosteten. Aber auf ein Entgegenkommen der Bausparkasse wartet
das Ehepaar bislang vergeblich.
Mit dem Sparen am Ende
Heute sitzt Ferdinande
Schneemann, 54, am gleichen Wohnzimmertisch und ringt um Fassung. Sie
hat Brustkrebs. Ihr Mann, 55, sitzt nach einer Gehirnblutung im
Rollstuhl und ist schwerstpflegebedürftig.
Beide erhalten eine kleine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die neue Heizung
für ihr Reihenhäuschen, das sie in Uder bewohnen, ist noch nicht
abbezahlt. Die Zinsen für die Bauspardarlehen der Badenia verschlingen
jeden Monat 264,59 Euro. Und Ferdinande Schneemann weiß nicht mehr, wo
sie sparen soll.
Vier Badenia-Opfer haben sich inzwischen umgebracht. Doch die
viertgrößte deutsche Bausparkasse, eine Tochter der AMB Generali, weist
jede Mitschuld von sich.
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„Der Großteil der
Finanzierungen von Anlegerobjekten verläuft absolut störungsfrei“, heißt
es bei der Bausparkasse. Und auf Härtefälle nehme man Rücksicht. Julius
Reiter, Rechtsanwalt der Schneemanns in Düsseldorf, sieht dies ganz
anders: 300 Badenia-Kunden vertritt er.
Über 500 Vergleiche hat seine Kanzlei bereits mit anderen Banken
abgeschlossen. „Aber die Badenia ist im Umgang mit den getäuschten
Kunden im Gegensatz zu anderen Banken absolut unnachgiebig. Dabei hat
sie bei der Finanzierung von Schrottimmobilien eine besonders
unrühmliche Rolle gespielt“, sagt Reiter.
Immobilien systematisch überbewertet
Die Vorgeschichte: Anfang
der neunziger Jahre ließ die Badenia über die inzwischen insolvente
Heinen & Biegen und über die „Köllner Gruppe“ rund 8400 Wohnungen,
teilweise aus dem ehemaligen Bestand der Neuen Heimat verhökern.
Wie die Verkaufsmasche funktionierte, ist in einem 146-seitigen
Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche
nachzulesen, die im Auftrag der Finanzaufsichtsbehörde das
Geschäftsgebaren der Bausparkasse durchleuchtete.
Darin heißt es, dass „von einer systematischen Überbewertung der
Sicherungsobjekte ausgegangen werden muss“. Dem Vorstand seien
„überhöhte Verkaufspreise“ bekannt gewesen. Und: Die Kreditgewährung sei
„als insgesamt nicht ordnungsgemäß zu bewerten“. Man könnte also auch
sagen: Die Badenia ließ die Anleger bewusst ins Verderben laufen.
Anfang März 1993, als die Vermittler von Heinen & Biege am
Wohnzimmertisch der Schneemanns saßen, verdienten die beiden nicht viel.
Er, Lagerarbeiter, und sie, Kassiererin bei einem Energieversorger,
kamen zusammen auf 2300 DM netto.
Aber das mache nichts, versicherten ihnen die Heinen & Biege-Leute, sie
müssten ja nur kleine Raten zahlen. „Die Rede war von 100 Mark im
Monat“, sagt Ferdinande Schneemann. Möglich machte dies ein
ausgeklügeltes Finanzierungsmodell, das speziell Kleinanleger ansprechen
sollte.
Erhöhter Kaufpreis
Dabei ersetzte ein
Vorausdarlehen, das durch zwei Bausparverträge getilgt werden sollte,
die sonst übliche mehrjährige Ansparphase. Eigenkapital war dadurch
nicht notwendig.
Die monatliche Belastung sei, wie in einer Verfügung der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe nachzulesen ist, „in den Anfangsjahren
künstlich niedrig“ gehalten worden. Dies habe aber zu einem „erhöhten
Kaufpreis“ geführt, „was für viele wohl mit einem höheren Verkehrswert
gleichbedeutend war“.
Außerdem operierte die Badenia mit unterschiedlichen
Bonitätsanforderungen: Die Mitarbeiter hatten bei einem Ehepaar
Lebenshaltungskosten von 1000 DM anzusetzen, bei der Drückerkolonne von
Heinen & Biege reichten 800 DM. Das machte die Kunden auf dem Papier
liquider – und schon war der Kreis der möglichen Käufer erweitert.
Der frühere Heinen&Biege-Geschäftsführer Andreas Mertens gibt inzwischen
offen zu: „Die Vermittler gaben selbst in der Regel einseitig die
Finanzierung durch die Badenia vor, weil hier die größte Provision mit
dem geringsten Aufwand zu erreichen war.“ Diese Provisionssätze lagen
bei 20 Prozent des Kaufpreises, teilweise sogar darüber.
Laut einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 1. Oktober 2004
an die Kanzlei Reiter stellt sich das vorläufige Ermittlungsergebnis in
der Strafsache gegen Heinen & Biege so dar, „dass die überwältigende
Mehrheit der Wohnungserwerber über die gezahlten Innenprovisionen nicht
aufgeklärt wurden und bei deren Kenntnis die Immobilie nicht erworben
hätten. Insoweit hat sich der Betrugsvorwurf erhärtet.“
Vier Jahre dauern die Ermittlungen gegen die Firmengründer von H&B, Uwe
Heinen und Laurenz Biege, nun schon. Auch gegen den früheren
Finanzvorstand der Badenia, Elmar Agostini, wird ermittelt. Seine Akte
erhielt kürzlich die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für
Wirtschaftsstrafsachen in Mannheim. Er hatte, so die Staatsanwaltschaft
Karlsruhe, „umfassende Kenntnis vom Geschäftsgebaren der H&B“.
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Nur der Gewinn
war wichtig
In einem Bericht des
Dortmunder Kriminalkommissariats 31 über die Abzockmasche der Badenia am
Beispiel einer Wohnanlage in Schwelm heißt es: „Die Festlegung des
Kaufpreises erfolgte ausschließlich am grünen Tisch, und zwar zwischen
Herrn Biege und/oder Heinen und Herrn Agostini. Der Verkehrswert
orientierte sich ausschließlich daran, wie ein Gewinn aus den jeweiligen
Abverkäufen maximal erzielbar sein würde zu Gunsten der Badenia und der
Heinen&Biege-Gruppe.“
Schwer wiegt auch der jüngste Vorwurf gegen die Badenia: Der
Heinen&Biege-Justiziar Jürgen Lahrmann hat vor der Polizei gestanden,
Vermittler von H&B vor ihrem Zeugenauftritt bei Badenia-Prozessen
trainiert zu haben.
Demnach sollten die Drücker auf ausdrücklichen Wunsch der Badenia vor
Gericht erzählen, dass sie umfassend über die Risiken des
Badenia-Modells aufgeklärt hätten. Die Badenia weist diesen Vorwurf
zurück und hat Strafanzeige gegen Lahrmann gestellt.
Der wiederum lässt sich nicht beirren. Lahrmann verweist auf die Hotel-
und Taxirechnungen, Flugscheine und Fahrkarten, die er als
Beweismaterial für seine „Trainingsbesuchen“ sicher im Ausland
aufbewahre.
Es hatte bereits einen versuchten Einbruch in einer Immobilie von
Lahrmann gegeben. Für seine Glaubwürdigkeit spricht auch, dass er sich
selbst belastet, weil er womöglich zu Falschaussagen angestiftet hat.
Prozessbetrug wird geprüft
Die Staatsanwaltschaft
prüft jedenfalls inzwischen, ob Prozessbetrug vorliegt oder nicht.
Sollte sich dies bestätigen, könnten Rechtsanwälte versuchen, einzelne
Prozesse neu aufzurollen. Vielleicht haben sie dann mehr Erfolg als
bisher.
Bislang hat die Badenia fast jeden Prozess gewonnen. Dies mag mit ein
Grund sein, warum sich die Badenia bislang in Härtefällen wie den
Schneemanns wenig kulant gezeigt hat. Seit 2002 schloss das Unternehmen
bis Ende August nicht einmal 100 Vergleiche ab.
Für Rechtsanwalt Reiter ist dies ein „Armutszeugnis“. Er wirft der
Badenia eine unprofessionelle Abwicklung der Härtefälle vor. Immer
wieder fordere die Bausparkasse neue Unterlagen an. Die eine Abteilung
wisse nicht, was die andere tue.
Und häufig werde versucht, am Anwalt vorbei mit den Kunden zu
verhandeln. „Die Badenia war stets aktiv, wenn es darum ging, unsere
Mandaten ohne unsere Kenntnis mit Mahnschreiben und
Vollstreckungsandrohungen zu bombardieren“, kritisiert Reiter.
Die Familie Schneemann hat die Zahlung der Raten inzwischen eingestellt.
Nur liegt Ferdinande Schneemann jetzt noch häufiger schlaflos nachts im
Bett und grübelt. „Ich habe einfach Angst“, sagt sie, „dass es eines
Tages klingelt und der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.“
(SZ vom 18.10.04) |
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